Hoyerswerda 1991, Rostock-Lichtenhagen im Jahr darauf. Diese Namen stehen in den Köpfen vieler für den Höhepunkt der Fremdenfeindlichkeit und der Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten_innen in Deutschland, jedoch zugleich für ein abgeschlossenes Kapitel. Doch sah das Jahr 2013 eine stetige Steigerung von rassistischen Übergriffen, Aktionen und Gewalttaten gegen Flüchtlingsheime und deren Bewohner_innen.
Diese interaktive Karte des Dokumentationsarchivs «Monitoring Agitation Against Refugees in Germany» (Beobachtung von Hetze gegen Flüchtlinge in Deutschland) veranschaulicht die zeitliche und räumliche Entwicklung von Brandanschlägen, direkten Aktionen oder Demonstrationen gegen Flüchtlinge seit dem 01.01.2013 und wird fortlaufend aktualisiert. Ein Höhepunkt ist im Oktober und November 2013 zu verzeichnen. Zynisch, wurde zu genau dieser Zeit doch um die Opfer der Bootsunglücke vor Lampedusa getrauert.
In seinem frisch freigeschalteten Recherche-Blog «Blühende Landschaften» veröffentlicht das Demokratische JugendFORUM Brandenburg eine Sammlung von Interviews mit Zeitzeug_innen, die in politischen Kontexten oder in öffentlichen Verwaltungen die frühen 1990er Jahre im Land Brandenburg erlebt und gestaltet haben. Ausgangspunkt der Recherche waren die 20. Jahrestage der rassistischen Pogrome in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen. Wie haben Menschen in Brandenburg die Ereignisse und die Zeit wahrgenommen? Was ist ihnen in Erinnerung geblieben? Wie bewerten sie die damaligen Entwicklungen heute? Weiterlesen „«Blühende Landschaften» – Neonazi-Gewalt in Brandenburg 1989–1993“
Kurz vor dem Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz sind jüdische sowie israelische Institutionen in Rom Ziel einer antisemitischen Kampagne geworden: Drei Einrichtungen waren Schweineköpfe zugeschickt worden. In beiliegenden Schreiben wird etwa der Begründer des Zionismus, Theodor Herzl, verhöhnt. Außerdem gab es antisemitische Schmierereien in einigen Straßen Roms, vor allem aber auf den Außenwänden des Rathauses in Rom, darunter der Slogan «Hanna [sic!] Frank ist eine große Lügnerin.»
Die Empfänger der Schweineköpfe waren die Hauptsynagoge, ein Museum mit einer Ausstellung über jüdische Kultur in der Hauptstadt Italiens sowie die israelische Botschaft. Die Pakete waren alle in Rom aufgegeben worden. Die sofortigen Untersuchungen des polizeilichen Staatsschutzes ermittelten kurze Zeit später einen 29–Jähriger aus der neofaschistischen Szene als mutmaßlichen Täter. Der Mann soll als Absender für seine Pakete den Namen «Giovanni Preziosi» verwendet haben: dabei handelt es um einen ehemaligen Minister Mussolinis und glühenden Antisemiten, der «Generalinspektor für Demographie und Rasse» gewesen ist. In der Wohnung des Beschuldigten entdeckten Beamte unter anderem T‑Shirts der neofaschistischen Bewegung «Forza Nuova». Er habe sogar eine neue antisemitische Partei gründen wollen, gaben die Ermittler an.
Bei den Unbekannten, die einige Tagen später einen weiteren Schweinekopf an einen jüdischen Adressaten in Florenz gesendet haben, soll es sich nach Aussagen der Behörden lediglich um Trittbrettfahrer gehandelt haben. Darüber hinaus sind in der Nacht zum 27. Januar 2014 antisemitische Slogans auf den Wänden des Donizetti-Theaters in Bergamo aufgetaucht. Dort lief das Stück «Der Elfenbeinturm» von Ronald Harwood, in dem es um den Prozess der US-Militärverwaltung gegen den NS-belasteten Star-Dirigenten Wilhelm Furtwängler 1946 in Berlin geht [Titel der Verfilmung: «Taking Sides»]. Antisemitische und Judenhass schürende Karikaturen sind zur selben Zeit auch in verschiedenen Straßen Mailands plakatiert worden.
Verantwortlich für diese Hetzplakate zeichnet die 2002 von Pierluigi Pagliughi gegründete «Nationalsozialistische Arbeiter Bewegung» (NSAB). Die «Bewegung» soll Anhängern im Piemont und der Lombardei haben. Diese kleine Gruppierung mit ihren etwa 200 Anhänger_innen, entsendet eine Handvoll Mandatsträger in Gemeinderäte kleiner Ortschaften in dieser Region. Die NSAB bezieht sich offen auf Adolf Hitler und ist schon durch ähnliche rassistische Kampagnen aufgefallen. So berichtete die Tageszeitung «Repubblica» vergangenes Jahr von Plakaten, die die Immigrant_innen aus Asien aufforderte, Italien zu verlassen mit Sätzen wie: «Europa den Europäern» und «Die absurde und gesteuerte Mischung von Rassen ruiniert sowohl unsere Nachkommen als auch deine: Wir sind der aufgezwungenen Immigration müde!» Weiterlesen „Antisemitische Kampagne in Italien“