Die Schärfe der Konkretion

Eine span­nen­de Ver­an­stal­tung für alle, die am Kna­cken von BRD-(Gründungs-)Mythen und an Erin­ne­rungs­po­li­tik inter­es­siert sind, fin­det am kom­men­den Sonn­tag, 1.12.2013, um 18 Uhr im Salon der Rosa Luxem­burg Stif­tung (Franz-Meh­ring-Platz 1, 10243 Ber­lin, Nähe Ost­bahn­hof) statt.

Die Schärfe der Konkretion

Reinhard Strecker, 1968 und der Nationalsozialismus in der bundesdeutschen Historiografie
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Gott­fried Oy, Chris­toph Schnei­der: Die Schär­fe der Kon­kre­ti­on. Rein­hard Stre­cker, 1968 und der Natio­nal­so­zia­lis­mus in der bun­des­deut­schen His­to­rio­gra­fie
2013 — 252 Sei­ten — € 24,90;
ISBN: 978−3−89691−933−5

Der Jahr­zehnt­wen­de von den 1950er zu den 60er Jah­ren kommt eine wich­ti­ge Rol­le in zwei his­to­ri­schen Groß­erzäh­lun­gen zu. Für die Auf­ar­bei­tung des Natio­nal­so­zia­lis­mus gilt sie als Wen­de­punkt vom Ver­leug­nen hin zu Aus­ein­an­der­set­zung und Auf­ar­bei­tung. Zugleich fin­den sich hier die Anfän­ge der Jugend- und Stu­den­ten­be­we­gung, die 1968 ihren Höhe­punkt erreich­te. Die­se erin­ne­rungs­po­li­ti­sche Kon­stel­la­ti­on wird in drei­er­lei Hin­sicht auf­ge­nom­men. In West-Deutsch­land war es damals eine klei­ne Zahl von Ein­zel­per­so­nen, die an die NS-Ver­gan­gen­heit rühr­te, dar­un­ter der Stu­dent Rein­hard Stre­cker. Einem Gespräch mit dem frü­he­ren Akti­vis­ten, des­sen Akti­on Unge­sühn­te Nazi­jus­tiz 195960 öffent­lich für Wir­bel sorg­te, folgt ein Essay, der die Ent­wick­lung des Ver­hält­nis­ses der 68er-Bewe­gung zum Natio­nal­so­zia­lis­mus beleuch­tet und sie als eine Art Schwund­ge­schich­te rekon­stru­iert. Ein wei­te­rer Essay prüft die Sub­stanz der erin­ne­rungs­po­li­ti­schen Groß­erzäh­lung von der erfolg­rei­chen Auf­ar­bei­tung der NS-Ver­gan­gen­heit. Frag­lich erscheint es, ob die Gescheh­nis­se zu Zei­ten Stre­ckers als Vor­ge­schich­te eines zwar spät, aber doch noch ein­set­zen­den Rei­fe­pro­zes­ses der Bun­des­re­pu­blik auf­ge­fasst wer­den kön­nen. (aus der Verlags-Ankündigung)

Rein­hard Stre­cker ist vie­len bis heu­te kein Begriff, obwohl er einer der Pio­nie­re der bun­des­deut­schen Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus ist. Bereits Ende der 1950er Jah­re begann auf Initia­ti­ve des dama­li­gen Sprach­wis­sen­schafts­stu­den­ten an der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin eine klei­ne Grup­pe aus dem Umfeld des Sozia­lis­ti­schen Deut­schen Stu­den­ten­bun­des (SDS) damit, Mate­ria­li­en über NS-Täter zu sammeln.

Sie recher­chier­te Doku­men­te zu Unrechts­ur­tei­len aus der NS-Zeit und ver­öf­fent­lich­te sie mit­samt den Namen der ver­ant­wort­li­chen Rich­ter und Staats­an­wäl­te. Dar­aus ent­stand die Aus­stel­lung „Unge­sühn­te Nazi­jus­tiz“. Für die Ver­jäh­rungs­de­bat­ten im Bun­des­tag und die Dis­kus­si­on per­so­nel­ler Kon­ti­nui­tä­ten in bun­des­deut­schen Behör­den gab sie wesent­li­che Impulse.

Gott­fried Oy und Chris­toph Schnei­der wid­men sich in ihrem Buch „Die Schär­fe der Kon­kre­ti­on“ die­ser frü­hen Pha­se der Aus­ein­an­der­set­zung mit dem NS und ihren Fol­gen für die Neue Lin­ke vor 1968.

In der Ver­an­stal­tung wer­den die Autoren geschichts­po­li­ti­sche Über­le­gun­gen vor­stel­len, die dem Buch zugrun­de liegen.

Rein­hard Stre­cker wird als Akteur der „58er“ aus ers­ter Hand über die frü­he NS-Auf­ar­bei­tung berichten.

Anschlie­ßend gibt es Raum für eine gemein­sa­me Dis­kus­si­on die­ser Ansät­ze und ihrer Wirkung.

 

Mauern 2.0 – Migrantische und antirassistische Perspektiven auf den Mauerfall

Der von der Rosa-Luxem­burg-Stif­tung mit-geför­der­te Film «Mau­ern 2.0 – Migran­ti­sche und anti­ras­sis­ti­sche Per­spek­ti­ven auf den Mau­er­fall. Ges­tern und heu­te» ist seit kur­zem online. Aus­gangs­punkt für das Pro­jekt war der Film «Duvarlar/Mauern/Walls» von Can Can­dan (2000), der Per­spek­ti­ven auf den Mau­er­fall und die Wie­der­ver­ei­ni­gung in den Jah­ren 1990–91, vor allem aus der tür­kei­stäm­mi­gen Com­mu­ni­ty in West­ber­lin, dokumentierte.

Der Film von Jana König, Eli­sa­beth Stef­fen und Inga Tur­c­zyn (2011) befragt eini­ge Protagonist_innen erneut und geht wei­te­ren Per­spek­ti­ven, auch aus dem Ost-Teil Ber­lins, nach. Ver­gan­ge­ne Aus­ein­an­der­set­zun­gen wer­den aktua­li­siert, es wird nach Kor­re­spon­den­zen und Kon­stel­la­tio­nen gefragt. Wie wer­den Ras­sis­mus, Natio­na­lis­mus und öko­no­mi­sche Aus­beu­tung heu­te gesehen?

Zahl­rei­che Scree­nings und Dis­kus­sio­nen, zum Teil mit den Protagonist_innen, haben gezeigt, dass der Film als Aus­gangs­punkt für ein Gespräch über Ras­sis­mus gut funk­tio­niert und sich für den Ein­satz in der poli­ti­schen Bil­dung sehr gut eignet.

Hier kann der Film online gese­hen werden.

Kulturbüro Sachsen in Gefahr

anti­f­ra* schließt sich den For­de­run­gen der betrof­fe­nen Pro­jek­te an:

Opferberatungsprojekte fordern mehr Unterstützung und warnen vor der drohenden Abwicklung von Beratungsprojekten in Sachsen

Am 4. Novem­ber 2013 jährt sich die Selbst­ent­tar­nung des NSU zum zwei­ten Mal.

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2. Novem­ber 2013: Demons­tra­ti­on zum Geden­ken an die Opfer des NSU, der sich am 4.11.2011 selbst ent­tarnt hat­te Foto: Burschel

Täg­lich regis­trie­ren die Bera­tungs­stel­len mehr als zwei bis drei rechts­mo­ti­vier­te Gewalt­ta­ten. Bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den fehlt eine Zäsur in der Aus­ein­an­der­set­zung mit poli­tisch rechts, ras­sis­tisch und anti­se­mi­tisch moti­vier­ter Gewalt immer noch. Anläss­lich des zwei­ten Jah­res­ta­ges der Selbst­ent­tar­nung des Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grunds (NSU) kri­ti­sie­ren die Bera­tungs­stel­len für Betrof­fe­ne poli­tisch rechts, ras­sis­tisch und anti­se­mi­tisch moti­vier­ter Gewalt, dass eine Zäsur bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den im Umgang mit ein­schlä­gi­gen Gewalt­ta­ten noch immer nicht statt­ge­fun­den habe. „Wir regis­trie­ren täg­lich zwei bis drei poli­tisch rechts, ras­sis­tisch oder anti­se­mi­tisch moti­vier­te Gewalt­ta­ten,“ sagt Robert Kusche, ein Spre­cher der Bera­tungs­pro­jek­te. So wur­de bei­spiels­wei­se am 21. Sep­tem­ber 2013 ein Imbiss­be­trei­ber tür­ki­scher Her­kunft in Bern­burg (Sach­sen-Anhalt) von Neo­na­zis an sei­ner Arbeits­stel­le ange­grif­fen und so schwer am Kopf ver­letzt, dass er zwei Wochen lang im Koma lag und ver­mut­lich blei­ben­de Schä­den davon tra­gen wird. „Und noch immer sind vie­le Betrof­fe­ne mit Poli­zei­be­am­ten und Staats­an­walt­schaf­ten kon­fron­tiert, die ras­sis­ti­sche Moti­ve igno­rie­ren oder ver­harm­lo­sen oder den Betrof­fe­nen eine Mit­ver­ant­wor­tung für die Angrif­fe zuschrei­ben,“ so Robert Kusche weiter.

Wei­ter­le­sen „Kul­tur­bü­ro Sach­sen in Gefahr“